i killed myself for no reason

ca. 2015

 

 

Ich stehe am Rhein und schreie. So laut ich kann, damit sich der Schmerz aus mir verabschiedet. Zumindest hoffe ich das und schreie und schluchze ihn heraus, so gut es es mir möglich ist.  Ich möchte, dass er sich ein neues Zuhause sucht. 

Mein Kopf senkt sich und ich sehe durch tränenverhangene Augen ein blinkendes Licht. Ich gehe auf das Licht zu und erkenne den Gegenstand. Es ist ein Schalter - auf ihm steht "Reset" geschrieben. 

Bevor ich auch nur eine Sekunde überlegen kann, sehe ich mich den Schalter drücken. Ich spüre dieses reißende Gefühl und realisiere, dass ich mich von innen heraus auflöse und muss grinsen. 

Mit jeder Sekunde löse ich mich weiter auf und Schmerz, Angst und alles andere wird zerfressen, bevor es mich zerfressen kann. 

 

 

 

In meinem Leben habe ich mir schon so oft diesen Schalter gewünscht. Ich habe ihn mir herbeigesehnt, als ich mein Leben kompliziert fand. Ich habe für ihn gebetet, als mich meine Depression fest im Griff hatte. Ich denke so oft an ihn, wenn ich wieder und wieder an Situationen scheitere und nicht weiter weiß. 

 

Schmerz und Angst - wir sind per Du. Oft sehe ich mich an und denke mir, ich bin anders. Wo andere Menschen vor Glück strotzen, werde ich wohl immer eher der Melancholie nachhängen. Es ist ja nicht so, dass ich unglücklich wäre. Ich bin dann nur "anders" glücklich. Schwerer - denn Unbeschwertheit ist bei mir Mangelware. Ausdrücken kann ich Freude nur bedingt. 

 

Und da ich dieses "Glück" schon lange nicht mehr gespürt habe, ist mir auch die Fähigkeit abhanden gekommen, wirklich glücklich zu sein. Ich traue es mich kaum mehr. Lasse ich das Gefühl zu, so verschwindet es wie von Zauberhand - als wolle es nicht zu mir kommen. 

 

Ich habe meine Momente in denen ich glücklich bin. Sehr glücklich. Doch echtes Glück definiert sich bei mir als sich wiederholender Zustand. Quasi ein regelmäßiges glücklich sein.  

 

Mich beschleicht das Gefühl, dass es mir einfach nicht vergönnt ist. Oder, dass ich etwas furchtbar falsch mache. Dabei kann ich da auch niemanden einen Vorwurf machen, denn mir ist etwas sehr schmerzhaft bewusst geworden. 

Ich bin falsch. Ich dachte immer, ich sei nur anders. Das habe ich mir zumindest gewünscht, es mir eingeredet. Aber langsam glaube ich nicht mehr daran. Zu viele Momente zeigen es mir. Zu oft stehe ich verständnislos und kopfschüttelnd vor Situationen und jeder andere nimmt diese völlig anders wahr. Es ist, als würde ich in meinem eigenen Kosmos leben. Einem Kosmos, der nur von einer einzelnen Person bewohnt wird. 

 

Meine Umwelt und ich, wir passen nicht so gut zusammen. Mein Verhalten ist anders. Sarkastisch. Ironisch. Dezent gehässig. Meine Wesenszüge und Werte sind anscheinend zu inkompatibel, um damit dauerhaft glücklich zu sein. Ja, schon um mal kurz nicht anzuecken. Erst recht um eine andere Person dauerhaft glücklich zu machen. 

Und leider ist es genau das, wonach ich mich sehne. Ankommen. Ich möchte nur ein einziges Mal im Leben erleben, dass ich einfach ich sein kann. Ich sein darf. Das ich genüge. Dauerhaft genüge. Ich möchte einmal einen Menschen finden, der mich ehrlich anschaut und mir sagt, dass ich in seinem Leben bleiben soll. Er darf mir gerne lächelnd sagen, dass ich scheisse bin. Denn das bin ich oft, aber auch das kann man zu schätzen wissen. 

 

 

 

Es sind Augenblicke wie dieser hier, an dem mir ein Songtext in den Sinn kommt: 

 

"Du willst wissen, wie ich mich fühle? Ich will wissen, wie ich mich fülle - diese Leere. In mir ist absolute Stille."

 

 

Ich kenne diese Zeilen, fühle diese Zeilen. Habe sie während meiner Depression geliebt, denn sie haben mir so sehr geholfen. Für viele ist deren Bedeutung der blanke Horror, denn Leere ist für sie etwas schlimmes. 

Gerade jedoch sehne ich mich nach dieser schönen Leere. Die Vorstellung daran ist gerade so reizvoll.  Ich sehne mich nach etwas, was Angst, Selbstzweifel und Schmerz vertreibt. Ich sehne mich nach Leere und nach dem blinkenden Schalter! 

 

Aber was, wenn er nicht existiert? Oder was, wenn er mich nur in einen endlosen Loop schickt und ich all dies Tag für Tag neu erleben muss? 

 

Dieser Gedanke lässt mich schreien! Ich möchte mein Leben nicht wieder und wieder erleben. Möchte es nicht täglich verzweifelt ändern, auf der Suche nach dem perfekten Weg. 

Bei dem Gedanken an all den Schmerz laufen mir die Tränen das Gesicht herab. 

 

Diese verdammten Emotionen und Gefühle. Es gibt Augenblicke, da wünsche ich mir ein anderes Herz. Ich denke dann an mein liebstes Kinderbuch und den kleinen Mio. Er hat eine solche Angst davor, dass sein Herz durch einen Stein ersetzt werden könnte. Gerade wünsche ich mir das jedoch für mich. Einen Stein. 

 

 

Ab und an mag ich Gefühle und Emotionen sogar sehr gerne, aber das sind seltene Momente. Ab und an tun sie unsagbar gut. Für einige Momente ist es dann so, als ob man sich einen Teaser anschauen würde. Einen für ein erfülltes Leben. Dieser verdammte Teaser lässt einen träumen. Man erhofft sich dieses erfüllte Leben. Hält es sogar für durchaus erreichbar. Man wagt es zu hoffen. 

Ich rede dabei nicht von materiellem Reichtum. Nicht von tollen, kostspieligen Reisen. Nicht von einem begehbaren Kleiderschrank. Nicht von einem teuren Auto. Nicht von einem eigenen Haus. 

 

Ich rede davon, dass man einen Partner findet. Einen den man lieben darf. Einen, der einen auch liebt. Die Art von Liebe, die ich empfinde und leben möchte. 

Ich rede von Zweisamkeit und davon, dass jeder so sein darf wie er ist. Mit all seinen Fehlern, Ecken, Kanten und verschrobenen Eigenarten. Ich rede davon, den einen Menschen zu finden, der es wert ist. Der Entbehrung und Wachstum Wert ist. Mit dem man streitet. Mit dem man seinen Alltag gerne teilt. Ich rede von dem Menschen, den man anschaut wenn man wütend ist und sich denkt "Dich verdammten Idioten liebe ich. Nicht trotz deiner Fehler, sondern wegen ihnen."

Ich rede nicht von Hollywood Liebe. Ich rede von echter Liebe. Bedingungsloser Liebe. Ich träume davon. 

 

Eines Tages...

 

In dieser Situation ist Hoffnung eine Waffe. Sie vermag es zu erreichen, dass man aufblüht. Sie gibt einem ein Ziel, auf das man hinarbeitet. Das ist ihre schöne Seite. 

Aber sie vermag es auch, einen leiden zu lassen. Sogar sehr. Man sagt, die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber das stimmt nicht. Am Ende der Hoffnung steht immer noch ein Herz. Eins voller Hoffnung und Vorfreude, auf das zu erwartende Glück. Exakt das stirbt zuletzt, wenn die Hoffnung sich als unbegründet erweist. 

 

Was aber tun, wenn man realisiert, dass es diesen Schalter nicht gibt? Diesen einen, den man sich so ersehnt. 

 

Wenn ich meine Augen schließe, dann sehe eine kleine Rüstung. Eine, die mein Herz beschützt. Eine, die all den Schmerz, die Erwartung, die Enttäuschung und Hoffnung nicht durchlässt. Sie ist stark genug, um all das von meinem Herzen fernzuhalten, was es verletzen könnte. 

Seit dem ich diese gesehen habe, habe ich einen festen Vorsatz - ich werde sie mir schmieden. In mir brennt genug Feuer und es gibt genug Schmerz. Aus diesem Schmerz werde ich diese Rüstung schmieden. Sie wird wohl die hässlichste Rüstung der Welt werden, aber sie wird mich beschützen. 

 

Einen Gedanken der Hoffnung werde ich mir jedoch im Herzen halten. Trotz der zu erwartenden Qual. 

 

Eines Tages wird die Frau kommen, die mir diese Rüstung abzunehmen vermag. Und dann wird aus der eingesperrten Hoffnung ein kleiner Keimling entstehen. Und dieser wird mit der Zeit zu einem starken Baum wachsen. Und unter diesem Baum werden eines Tages unsere Kinder spielen und voller Freude seine Früchte essen. 

 

 

Eines Tages.....