Logbuch des Wahnsinns:

 

Monat 7 des ausufernden beruflichen Stresses ist absolviert. Fühle mich immer erschöpfter. Trotz des heiligen Trimipramin. 

Lösungsansatz: Aktivitäten runterfahren und einkuscheln. 

Lösungsansatz: übernächste Woche eine Woche Auszeit nehmen. 

Lösungsansatz: irre Summen für Musik ausgeben. Um sie „besser“ hören zu können. 

Lösungsansatz: Essen konsumieren. Möglichst lecker und ohne schlechtes Gewissen. 

 

 

 

Moin zukünftiger Lieblingsmensch,

 

Letzte Woche waren die Gedanken an meine Freunde wichtiger. Entschuldige bitte. Trotzdem versuche ich hier eine gewisse Regelmäßigkeit reinzubekommen. Ist gerade nur nicht so einfach. Also wollen wir mal…

 

Ich habe gerade kaum mehr Lust den Beischlaf zu vollziehen. Jawohl. 

Wohl auch eine Auswirkung des Stress. Wahrscheinlich ist das vollkommen normal. Darf so sein. 

Trotzdem macht es mir Angst. 

 

 

Das war immer etwas, was eine gewisse Konstante darstellte. Sex. 

Etwas, woran ich mich festklammern konnte. Etwas, was mir das Gefühl gab toll zu sein. In Momenten, in denen ich mich alles andere als das fühlte. 

Jede Reaktion meines Gegenüber bemaß meinen Wert. 

Jeder Orgasmus meines Gegenübers gab mir ein besseres Gefühl als der Person selbst. Gab mir das Gefühl nicht wertlos zu sein. Gab mir das Gefühl ein Leben zu verdienen. 

Jeder verklärte Blick. Jeder leidenschaftliche Kuss. Jeder enthemmte Moment. 

Gab mir einen Wert. 

Den ich mir nicht von selber zugestehen konnte. 

 

Soweit ich mich erinnere war ich dabei immer ehrlich. Was meine Intentionen anging. Ich meine, wenn ich ohne Partner war. 

Manchmal schob ich jedoch auch den zarten Vorhang des Zweifelns zur Seite. Wenn mein Gegenüber mir sagte, dass etwas rein sexuelles vollkommen ok für sie wäre. Man ohnehin nicht mehr wolle. 

Mir ging es darum nicht auseinander zu brechen. 

Meinem Gegenüber wahrscheinlich irgendwie auch. 

 

Auf dieser Reise probierte ich viel aus. 

In Beziehungen. 

Als ich alleine war. 

Getreu dem Motto: Warum ablehnen, was man nicht kennt?

Meine Offenheit hat mir vieles beigebracht. Meinen Horizont erweitert. 

Aber im Bezug auf meine eignen Wünsche? Nah. 

 

 

Für den anderen das zu sein. Das, was er gerade braucht. 

Das habe ich ganz gut gelernt. 

Für den anderen die Person zu sein. Die Person, die einen die eigenen Bedenken und Zweifel vergessen lässt. Die einen ermutigt zu verstehen, was man selber braucht. 

Das habe ich ganz gut gelernt. 

Auf meiner Reise durch all das. 

 

Was ich auf dieser Reise. Was ich in all diesen Jahren. Erlebt habe. 

Das hat mich geformt. Es hat mir jedoch nicht geholfen.

Mich selber zu finden. 

Es hat mich nur abgelenkt. Von meinem eigentlichen Problem. 

Denn. 

 

Seinen Wert daraus zu ziehen. Dass man gefällt. Dass man hilft. 

Das ist eine beschissene Idee. 

Das war eine beschissene Idee. 

 

 

 

Vor gut einem Jahr. 

Traf ein Schlag mein Leben. Zerstörte alles, was ich bisher als gegeben ansah. 

Vor gut einem Jahr. 

Konnte ich nicht mehr ignorieren, was für alle anderen längst offensichtlich war. 

Vor gut einem Jahr. 

Startete ich die nächste Reise. Die zu mir selber. Damals. 

Machte ich mich auf, um den Wert meiner Selbst zu erkunden. 

 

So eine Reise. 

Tut weh. 

So eine Reise. 

Tötet einen auf so vielfältige Art und Weise. Bereitet einem kaum auszuhaltende Schmerzen.

So eine Reise. 

Lässt einem an dem eigenen Verstand zweifeln. 

So eine Reise. 

Ist jeden einzelnen schmerzvollen Moment wert. 

 

Nach all dieser Zeit komme ich langsam bei mir an. Ich verstehe nun weite Teile meiner Selbst. 

Da sind nur noch wenige blinde Flecken auf der Karte meines Wesens. 

Zum Glück. 

Bin ich neugierig genug. Um den Rest von mir auch noch erkunden zu wollen?

 

 

Zu diesem Rest. 

Gehört wohl auch das eingangs erwähnte willkommen zu heissen. Mir darüber nicht den Kopf zu zerbrechen. Einfach Gegebenes zu akzeptieren. 

Zu diesem Rest. 

Gehört es unumstößlich. Dass ich mir Zeit nehme es zu verstehen.

Mich zu verstehen. 

Zu diesem Rest. 

Gehörst wohl auch du. 

 

Danke dir.