Moin zukünftiger Lieblingsmensch,

 

Heute schreibe ich dir aus der Badewanne.

Meinen safety place. 

 

Diese Hitze. 

Das Gefühl dieses nahezu unerträglich heißen Wassers. 

Es beschützt mich. Legt sich um mich. 

Wie ein Schutzschild. 

Nichts kann mir hier etwas. 

 

Schmerz. Von außen. 

Erreicht mich hier nicht. 

Schmerz. Der in mir. 

Lässt sich hier wunderbar zerdenken. 

Analysieren. 

Kanalisieren. 

 

 

 

Heute Vormittag. 

Bin ich um den See gerollt. 

Eigentlich war es viel zu windig. Die Wege zu nass. 

 

Aber...

 

Das neue Board. 

Es wollte getestet werden. 

Frisch zusammengebaut.

Mit viel Liebe. 

Eine wahre Schönheit. 

 

Trotz des Winds. Trotz der Feuchtigkeit. 

Musste ich es einfach ausprobieren. 

Trotz des Winds. Trotz der Feuchtigkeit. 

Fuhr es sich toll. 

 

Mir fehlt da ein bisschen das Talent. 

Beim rollen. 

Für gewagtere Manöver. 

Das gleiche ich aber mit Begeisterung aus. 

Für eher belangloses umher rollen. 

Darin bin ich ganz gut. 

Mich für belangloses zu begeistern. 

 

 

Jedenfalls bringt es mir Ruhe. 

Das rollen. 

Ich mag die Anstrengung. 

Es ist das bisschen Sport. Das bisschen, was ich mache. 

Den Bewegungsablauf. 

Das Geräusch. 

Wenn die Rollen auf dem Asphalt flüstern. 

 

Es beruhigt mich. 

Während ich meinen Gedanken nachhänge. 

Als würde das Brett. Als würde die Bewegung. 

Als würde all das. 

Etwas in mir lösen. 

Gedanken. 

Die sonst nur ungern gedacht werden möchten. 

 

 

Heute war es dieser. 

 

 

Was da wohl noch kommt?

Ich meine... 

Ich bin mittlerweile 40. 

Bei meinem Lebenswandel. Bedeutet das wohl Halbzeit. 

 

Mein Gott.

Damit hätte ich niemals gerechnet. Soweit habe ich niemals geplant. 

Nicht, dass ich jemals viel geplant habe. 

Ich war immer viel zu sehr in der Gegenwart. In meinen kruden Ideen. Gefangen. 

Der Moment. 

Dort habe ich gelebt.

Ohne Gedanken. 

Die viel mehr als den nächsten umfassten. 

 

 

Zukunft ist etwas für Menschen. Die diese willkommen heißen. 

Damit war sie nie etwas. 

Was mich interessiert hat. 

 

 

Jetzt liege ich hier. In meinem Schutzschild. 

Frage mich. 

Was ich mir von meinem Leben wünsche. 

Was mir noch fehlt.

Puh. 

 

Ganz ehrlich? 

 

Ich. Habe. Keine. Ahnung. 

 

Ich denke auch heute oft kaum mehr weiter. 

Als die nächsten Momente. 

Ich orientiere mich bei meinen Wünschen. 

Öfters. 

Eher an meinen Empfindungen. 

 

Aktuell habe ich viel nachgedacht. 

Über Optionen. 

Darüber. Warum ich für manche Menschen eine bin. 

Eine Option. 

Etwas, was man gerne ich Anspruch nimmt. 

Zu dem man in seinem Leben. 

Jedoch nicht steht. 

 

Das ist etwas. 

Etwas, was mir weh tut. 

Etwas, was ich nicht mehr haben möchte. 

Für meine Zukunft. 

Etwas, was ich demnächst mal angehen sollte. 

 

 

Wenn es aber um die große Zukunft geht. Wenn es um die Ferne geht. 

Dann schaue ich mir gerne das Leben meiner Freunde an. 

 

 

Wenn ich mir mein Umfeld so anschaue. 

Glückliche Paare. 

Zufrieden mit ihrem Leben. 

Medium glückliche Paare. 

Auf der Suche nach etwas mehr Leichtigkeit. 

Unglückliche Paare. 

Die den eigenen Wert nicht erkennen. Ihr „ich“ den Ideen ihres Partners unterordnen. 

Kinder. 

Mit all dem schönen. Was sie einem wohl bescheren. Mit dem Rest. Der auch dazu gehört. 

Bewohnbares Eigentum. 

Das dich besitzt. Bis du es irgendwann einmal besitzt.

Das dich bindet. An einen Ort. 

Schöne Autos. 

Manche schnell. Manche geländegängig. Manche alt und selten. 

 

 

All das. 

 

All das ist um mich herum. 

Doch ich vermag nicht einmal mit dem Finger darauf zu zeigen. 

Auf das. Was ich mir davon für mein Leben wünsche. 

 

 

Vor ein paar Jahren. 

War es wohl der Wunsch nach einer Familie. 

Heirat. Kinder. 

Naja. 

Ein Kind hätte erstmal gereicht. 

 

Heute. 

Am ehesten ist es wohl der Wunsch nach Leichtigkeit. 

Vielleicht in Kombination mit dir. 

Ja. 

Ich denke, dich zu treffen wäre auch etwas feines. 

 

Aber ansonsten?

 

Alles was man unter „ansonsten“ benennen könnte. 

All das. 

Das, was sich Menschen so wünschen. 

Für ihr Leben. 

All das. 

Bringt eine Erwartungshaltung mit sich. 

Die verstellen bekanntlich oft den Blick für das Wesentliche. 

Erwartungshaltungen. 

Ja. 

 

Du möchtest gerne Mama werden?

Du möchtest Eigentum erwerben?

Du möchtest alle zwei Jahre ein neues Auto haben?

Du möchtest Karriere machen?

 

Prima. 

All dem muss jedoch ein Weg geebnet werden. 

Mit einem. Mit allen. 

Diesen Wünschen. 

In deinem Kopf. 

Legst du dich fest. Auf einen bestimmten Weg. 

 

Das Ziel ist damit oft mehr wert. 

Mehr. Als vieles anderes. 

Mehr. Als die Zeit die du benötigst.

Um dieses zu erreichen. 

 

Vielleicht lernst du den tollen Kerl nicht weiter kennen. 

Weil er sagt, er möchte keine Familie gründen. 

Vielleicht strebst du so sehr nach Anerkennung im Job. 

So sehr, dass dies deine Priorität Nummer eins wird. 

In deinem Leben. 

Bis du am vermeintlichen Ziel bist. 

 

Diese Erwartungshaltungen

Können einen erdrücken. 

Einen die Sicht erschweren. 

Können einen das Wesentliche übersehen lassen. 

 

Denn. 

Vielleicht war der Kerl der Richtige. 

Hatte nur noch nie jemanden an der Seite. 

Dieser Kerl. 

Der diesen Wunsch in ihm geweckt hat. 

 

Denn. 

Vielleicht wird dein Karrierewunsch deine Beziehung zerstören. 

Oder eine aufkeimende ersticken. 

Deine geistige Gesundheit ruinieren.

 

Vielleicht schenkst du diesem Wunsch Jahre. 

Jahre. 

In denen du existierst. Strebst. 

Jahre. 

In denen du eines nicht tust. 

Leben. 

 

 

Wenn mir Menschen von solchen Wünschen erzählen. 

Als fest betonierte Pfeiler für ihre Zukunft. 

Wenn ich mir dies anhöre. 

Dann frage ich mich jedesmal. 

Was in deren Leben passiert sein mag. 

Was einen geistig so unflexibel werden lassen kann. 

 

Wenn mir Menschen von solchen Wünschen erzählen. 

Dann erinnere ich mich gerne zurück. 

An meinen Wunsch nach Familie. 

An das. 

Was ich diesem Wunsch geopfert habe. 

 

Um festzustellen. 

Dass es etwas war. 

Was mir ein Ziel geben sollte. 

Dass es etwas war. 

Mit dem ich mich irgendwie definieren konnte. 

 

Ich wäre Vater gewesen. 

Ich wäre Ehemann gewesen. 

Das wäre beides besser gewesen. 

Besser. 

Als ein kaputtes. 

Als ein unsicheres. 

Arschloch. 

 

Wenn ich in 40 Jahren etwas lernen durfte. 

Etwas von Wichtigkeit. 

Dann war es folgendes. 

 

Das Leben passiert. 

Es ist nicht komplett planbar. 

Es ist eine bunt gemischte Tüte. 

Vom Kiosk des Lebens. 

Und auch wenn du es nicht ausstehen kannst. 

Das Leben mischt auch Lakritze mit hinein. 

In deine bunt gemischte Tüte. 

Deal with it. 

 

 

Ich habe Menschen voll mit Träumen gesehen. 

Die Anfang zwanzig Krebs bekommen. 

Ich habe Familien gesehen, die alles besessen haben. 

Haus. Autos. Kinder. All das. 

Bei denen der Mann eine Grippe verschleppt hat.

Daran beim Training - für den perfekten Körper - verstarb. 

 

Was ich aber auch gesehen habe. 

Sind Frauen die sich damit abgefunden haben alleine zu sein. 

Um dann kein Jahr später zu heiraten. 

Um dann kurz danach Mutter zu werden. 

 

 

Das Leben hat seinen eigenen Flow.

Einen nicht planbaren. 

 

 

Sich all das Glück des Moments zu zerstören. 

Weil man mit dem Kopf. 

Weil man mit dem Herz. 

In einer erhofften Zukunft lebt. 

 

Ist das nicht nahe an der Definition des Wortes Dumm?

 

 

 

Lieber zukünftiger Lieblingsmensch. 

Ich habe keine Idee. 

Wirklich nicht. 

Was ich mit den nächsten 40 Jahren anfangen möchte.

 

Aber vielleicht finden wir es einfach heraus. 

 

Du & Ich. 

 

Was dir gut tut. 

Was mir gut tut. 

Was uns gut tut. 

Was uns Zufriedenheit bringt. 

 

Ich fände es sehr schön. 

Unglaublich schön. 

Wenn ich den Großteil. 

Meiner noch kommenden 40 Jahre. 

Wenn ich den Großteil davon. 

Mit dir verbringen dürfte. 

 

 

Wer auch immer du sein magst...