Moin zukünftiger Lieblingsmensch,

 

Aus einem mir nicht exakt greifbaren Grund fühle ich mich nicht mehr. 

Da ist fast nichts. Die meiste Zeit. 

Ich glaube ich bin gestolpert. 

Bin gefallen. 

Tief in mich hinein. 

 

 

 

Dir zu schreiben. 

 

Ist etwas sehr ambivalentes. Weißt du?

 

Es hilft mir sehr mich zu erklären. Mich zu öffnen. 

Für dich. Für mich. 

Das ist angenehm. Erschreckend angenehm. 

 

Dir all das zu erklären macht mich aber ungewohnt traurig. 

Mir wird dabei bewusst, was ich doch für ein merkwürdiger Kerl bin. 

Im Grunde weiß ich das ja schon lange. 

Es aber zu lesen. 

Es andere lesen zu lassen. 

Das macht es plötzlich greifbar. 

Das, was mich sonst immer im verborgenen begleitet. 

 

Mir war es nicht klar.

Was dies hier bedeuten würde. 

Was es mit mir machen würde. 

Mir war nicht klar.

Wohin das hier führen würde. 

Ist es auch jetzt noch nicht.  

 

Ich hätte nicht gedacht, dass ich so ehrlich sein würde. 

Natürlich war es meine Grundidee. 

Ehrlichkeit. 

Beim Schreiben. Ganz plötzlich.

Wollte ich es mehr denn je. Als wäre es völlig normal.

Dir all das zu zeigen. 

 

 

 

Reflexion. 

 

Ich bekomme momentan echt viel Input. Aus den unterschiedlichsten Quellen. 

Das schätze ich sehr. 

Auch wenn es manchmal weh tut. 

Mal kommt der Input von Freunden. 

Mal von Menschen die mir nahe stehen. 

Mal von Arbeitskollegen. 

 

Ich bekomme ab und zu sogar Reaktionen zu meinen Briefen. 

 

All das. 

Gepaart mit der Ruhe und Nachdenklichkeit der letzten Zeit. 

Wahrscheinlich hat mich all das ins Stolpern gebracht. 

Mich fallen lassen. 

Tief in mich hinein. 

 

 

 

Freunde

 

Ich glaube, ich habe dir noch gar nichts über meine Freunde erzählt. 

Das sollte ich mal nachholen. 

Sie sind nämlich ziemlich toll. 

 

Wir sind ein Haufen merkwürdiger Gestalten. Wenn man es höflich ausdrücken möchte. 

Die meisten meiner Freunde kenne ich seit über 20 Jahren. 

 

Damals haben wir alle in Düren gelebt. 

Das ist eine bemühte Stadt. In der Nähe von Aachen. 

Leider haben die Bemühungen sie nie wirklich schön gemacht. 

Sie ist eher ein Außenseiter. 

 

Damit ist sie ein bisschen so, wie wir es waren. 

Bemüht. 

Nicht wirklich schön. 

Außenseiter. 

 

Unsere Gemeinsamkeit war die absurde Idee auf Mountainbikes Kunststücke zu vollbringen. 

Auf Mauern zu springen. Auf dem Hinterrad zu hüpfen. 

So schnell es geht Bergab zu rasen. 

Drehungen und Balanceakte zu vollbringen. 

 

Und Bier. 

 

Ein bisschen wie das echte Leben. Das der meisten Leute. 

Drehungen. 

Balanceakte. 

Bier. 

 

Das führte uns irgendwie zusammen. Machte uns glücklich. Machte uns stark. 

 

Diese Fähigkeit. 

Einander und andere für diese tollen Sachen zu begeistern. 

Diese Fähigkeit. 

Wurde zu einem soliden Fundament. 

Diese Fähigkeit. 

Lies uns Feste feiern. Bei deren Erzählungen noch unsere Kinder vor Neid erbleichen werden. 

 

Bunter hätte man uns dabei kaum würfeln können. 

Meinen Freundeskreis. 

Meine Freunde bestehen aus so grundlegend verschiedenen Charakteren. 

Alle sind herzensgute Menschen. 

Naja. 

Manch einer versteckt das ganz gut. 

Gemeinsam haben wir vor allem folgendes. 

Eine offene Geisteshaltung. 

Ein großes Herz. 

Wertschätzung für einander. 

Das Interesse hinter die Kulissen eines Menschen zu schauen. 

Den Willen dies auch zu tun. 

 

Die meisten von uns hat das Leben weggeführt. 

Aus dieser bemühten Stadt. 

Die meisten von uns hat es in Städte mit großem Namen verschlagen. 

Oder in deren Umland. 

Aachen. Köln. Bonn. München. Dortmund. 

 

Die meisten haben nun ein sehr erwachsenes Leben. 

Frau. Kinder. Haus. 

Einen guten Job. 

Kleine Idyllen. Unperfekte Perfektion. 

 

Manche rollen immer noch auf dem Rädchen herum. 

Manche rollen auf dem Trittbrett. 

Manche rollen in der Familienkutsche. 

Manche rollen im Sportwagen. 

 

Doch im Herzen. 

Sind wir immer noch die lachenden, unansehnlichen Spackos von früher. 

Mein Gott. 

Wie ich diese Menschen liebe.  

 

Für den Alltag bedeutet all dies jedoch vor allem eines. 

Man sieht sich kaum mehr. 

 

Familie. Partnerschaft. Jobs. Haushalt. 

All das erfordert Zeit. 

Zeit. 

Von der man eh kaum genug hat. 

 

 

Ich bin hier im Pott weitestgehend auf mich gestellt. 

Was ich nicht grundlegend schlecht finde. 

Denn ich bin gerne mit mir. 

 

Mein Kreis hier ist klein. 

Hier im Pott. 

Hier im Pott. 

Gehört zu diesem auch eine Ex. 

 

Zwei Buchstaben. 

Die so viele Menschen explodieren lassen. 

Zwei Buchstaben. 

Die eine Unsicherheit in Menschen auslösen. 

 

 

Jeglicher Mensch mit dem ich wirklich tief befreundet bin. 

Ist mir meist ein guter Freund. 

Dort ist keine Begierde. Jeglicher Art. 

Dort ist Respekt. 

Dort ist Humor. 

Jeder Mensch mit dem ich befreundet bin. 

Auch diese Person. 

War Teil meines Lebens. 

Schon bevor du in mein Leben tratest. 

 

 

Man muss nicht jeden Freund seines Partners toll finden. 

Nein. 

Man sollte sich aber um eine neutrale Haltung bemühen. 

Ohne Vorurteile. 

Man kann nicht jeden leiden. 

Das ist voll ok.

Man darf Charaktere sogar verabscheuen. 

Aber nicht zweier bedeutungsloser Buchstaben wegen. 

 

 

Liebster zukünftiger Lieblingsmensch, lass mich dir dazu etwas sagen. 

 

 

Meiner Erfahrung nach beruhen vorgefertigte Meinungen. Beruhen Vorurteile. 

Auf Schmerz. 

Auf Angst. 

 

Nachvollziehbar. Aber...

 

Jeder ist für sich selber verantwortlich. 

Für seine Vergangenheit. 

Für seinen Schmerz. 

Für sein eventuell gekränktes Ego. 

Für seine Ängste. 

Niemand anders sollte unter all dem leiden müssen. 

Damit es eine andere Person leichter hat. 

Weil. 

Weil diese nicht im Stande ist. 

Seine Emotionen. 

Seine Gedanken. 

Sein Ich. 

Zu sortieren. Zu reflektieren. Zu heilen. 

 

 

 

Tief in mir. 

 

Hier unten ist es dunkel. So dunkel. 

Als ich vor Jahren das erste Mal hier war. Da war ich starr vor Angst. 

All das war mir unbekannt. 

All das. 

Was in mir schlummert. Was mich vor sich her treibt. Was mir den Schlaf raubt. 

All das.

Es lebt hier unten. 

Tief in mir. 

 

All das. 

Hinterlässt mich nicht mehr starr vor Angst. 

Nicht mehr. 

 

Respekt. 

Den bringe ich all dem gegenüber. 

All dem. 

Dem, was hier unten lebt. 

Denn den hat wirklich jeder verdient. 

 

Respektvoller Umgang. 

Genügend Geduld. 

Vermag auch die wütendste Bestie zu zähmen. 

 

Nun gut. 

 

Ich schaue mich wohl besser mal in Ruhe um. 

Suche nach dem...

 

Was mir aktuell zu schaffen macht. 

Was mir verwehrt mich zu fühlen. 

 

 

 

Auf bald, unbekannte Dame.

 

Ich freue mich sehr auf dich.