Moin zukünftiger Lieblingsmensch,

 

Ich war zu spät dran. Mit dem Acht geben. Mit dem sich um mich kümmern. 

Fuck. 

Fünf fast schlaflose Nächte und ein neu eingerichtetes Wohnzimmer später musste ich dann mal eine Entscheidung treffen. Eine, die mir nicht leicht fiel. 

 

 

Dear me, it’s time to put on your big boy pants.

Again. 

 

 

Ab da wo man es sich eingesteht. Ab da wo man unweigerlich realisiert, dass man es zu weit getrieben hat. 

Mit sich. 

Mit dem Stress. 

Mit dem ausdehnen der eigenen Grenzen. 

Ab diesem Augenblick hilft nur noch radikale Ehrlichkeit. Sich selbst gegenüber. 

 

Ich weiß was mir hätte helfen können. 

Ich war auch fest davon überzeugt, dass ich noch die Kurve bekomme. 

Tja. 

Manchmal streiten sich Pflichtbewusstsein und Selbstschutz eben. So lange, bis eine Entscheidung nicht mehr getroffen werden kann.   

 

 

Welcome back, darkness my old friend. 

Welcome back, depressive episode. 

Welcome back, Trimipramin. 

 

 

Meine Eltern haben es mir damals so beigebracht. Vor langer Zeit. 

Wenn du es zu weit getrieben hast im Leben. Wenn du richtig Mist gebaut hast. 

Dann tue dir nicht selber leid. 

Atme durch. Sortiere deine Gedanken und Gefühle. 

Dann steh auf und mach dich gerade. Stehe zu dem was du getan hast. 

Trage die Angst, die Scham und den Schmerz mit Würde. 

Entschuldige dich für deine Taten. 

 

 

Es tut mir leid, mein Verstand. 

Ich habe nicht gut genug auf dich aufgepasst, obwohl ich die Gefahr ahnte. Hielt mich für größer. Für besser und schlauer. 

Als...

 

Es tut mir leid, mein Körper. 

Dass du in den nächsten Tagen und Wochen fast nichts mehr anderes spüren wirst...

Nichts, außer Müdigkeit und Traurigkeit. 

Obwohl du es geliebt hast Wachstum und den damit verbundenen Schmerz zu spüren. 

 

Es tut mir leid, mein Leben. 

Dass ich dir eine Zwangspause verordne. 

Gerade wird es keine großen Entscheidungen mehr geben können. Keine schön klingenden Pläne. Ich muss eine Hand vom Ruder nehmen, bis... es wieder besser ist. 

 

 

Welcome darkness, my old friend. 

 

 

Ich hatte es schon völlig vergessen. Völlig vergessen, wie sehr mich  dieses Zeug weghaut. 

Nach zwei Tagen kann da ja noch kein solider Wirkspiegel sein. Denke ich. Gerade bin ich einfach unsagbar müde und antriebslos. 

Alles in mir schreit nach einem zügigen Nestbau. Es schön gemütlich machen, da ich wohl ziemlich viel Zeit mit mir verbringen werde. Mein Kopf träumt noch von Musik und Büchern. Die Realität wird aber wohl eine Menge an TV Zeug beinhalten. 

Und Essen. 

Essen ist der ewige Gradmesser für den Kampf zwischen Selbstzerstörung und Selbstachtung. Für mich ist er das zumindest. 

Für mich zu sorgen. Für mich zu kochen. War der konstante Nullpunkt in meinem Leben. Solange das geht, funktioniere ich noch in einem akzeptablen Rahmen. 

 

 

Welcome darkness, my old friend. 

 

 

Ich habe keine Angst vor dir. Ich habe aber einen riesigen Respekt vor dir. 

Du hast mich schon einmal soweit bekommen, dass ich mich nicht mehr ertragen konnte. Das war... unschön. Drücken wir es mal so aus. 

 

Du bist für mich ein bisschen so wie das bergab rollen beim Trittbrett fahren. 

Eigentlich dürfte mir nichts passieren. Ich weiß wie das geht. 

Ich weiß wie ich bremsen kann. Wie und wann ich beschleunigen sollte. Wie ich die Unebenheiten unter Kontrolle halte. 

Mit genug Konzentration und einer Portion Realismus bekomme ich das schon hin. 

Es sei denn... es passiert etwas unvorhersehbares. 

Daher der Respekt. Du warst schon zu oft für eine Überraschung gut. 

 

 

 

Und was wird nun aus dir, mein zukünftiger Lieblingsmensch? Aus uns?

Ich denke wir lesen uns nun wieder etwas regelmäßiger. So widersinnig das auch für dich klingen mag.  

Vielleicht schaffe ich es ja sogar wieder jeden Sonntag?

 

Da wird eine Menge sein, die ich dir zu erzählen habe. Vieles mag dir belanglos erscheinen, aber tun das die wichtigsten Augenblicke des Lebens nicht öfters… 

Belanglos erscheinen?