Moin zukünftiger Lieblingsmensch,

 

ich denke gerade auf einem Gedanken rum. Einem, der mich nicht mehr loslässt. Er kam mir heute beim kochen. 

 

Würde ich es ertragen vollends glücklich zu sein? Ich meine, wenn da nichts mehr wirklich negatives wäre. 

 

Der normal aufgestellte Mensch würde das wahrscheinlich ziemlich simpel beantworten können. Mit einem einfachen Ja. 

Wenn man nun aber nur selten mal glücklich war in seinem Leben? Wie reagiert man dann auf diese Vorstellung? Wie reagiere ich darauf?

 

Ängstlich. 

Fühle ich mich bei dem Gedanken daran. Wirklich. 

Natürlich war glücklich sein immer das große Ziel. Der Zustand, den ich erreichen wollte. Nachdem ich realisiert hatte, was ich mir da für ein Leben zusammengebastelt habe. In all den Jahren in denen ich versuchte so zu leben, wie man es erwartet. 

Nachdem ich verstand, wieviel Arbeit es bedeuten würde. Aus diesem Haufen Scheisse und Selbstbetrug etwas zu machen, in dem ich gerne leben möchte. 

Ängstlich. 

Fühlte ich mich ständig. Die letzten Jahre. Manchmal auch durchaus stolz. Aber die Angst schwang immer im Subtext mit. 

Angst vor Neuem. Angst vor Veränderung. Angst davor, mich selber richtig kennenzulernen. 

Die Angst hielt mich am Laufen. Mindestens genau so sehr wie die Hoffnung auf Glück. 

 

Was würde nun passieren, wenn ich alles negative aus meinem Leben geschafft hätte? 

Wenn ich an dem Punkt ankommen würde, an dem fast alles in meinem Leben positiv wäre?

 

Scheisse. Ich habe keine Ahnung. 

Vielleicht würde ich in gewohnter Manier anfangen das Gute gegen besseres tauschen zu wollen?

Vielleicht könnte ich mich fallen lassen?

Vielleicht würde ich das tun, was so viele psychisch kaputte Menschen tun? Nebenbei Psychologie studieren und versuchen die Welt zu verbessern. 

 

Für mich ist diese Vorstellung einfach nicht greifbar. Ich bin zu ängstlich und skeptisch um an sowas zu glauben. Das perfekte Glück. 

Das wäre wie ein unsagbar großer Gewinn im Lotto. In der Theorie vorstellbar, aber will man das wirklich?

 

Ich glaube ich komme zu dem Schluss, dass ich das ablehne. 

Vollständiges und perfektes Glück. 

 

Ich mag das Chaos zu gerne und liebe es zu wachsen. An mir. An meinem Chaos. An meinem Leben. Ich finde Perfektion unsagbar langweilig und öde. Jawohl. 

 

 

Und da kommst du ins Spiel, zukünftiger Lieblingsmensch. 

Ich hoffe nämlich sehr, dass auch die Perfektion unsagbar langweilig und öde findest. Ich hoffe, dass du diesen Zustand ebenfalls nicht anstrebst. 

 

Ich möchte mich über deine Ecken und Kanten aufregen. Über deine unmögliche Art Sachen anzugehen. 

Ich möchte an dir verzweifeln. Mich mit dir streiten. 

Ich möchte mit dir gemeinsam wachsen. An uns. 

Mit dem Ziel und der Gewissheit, dass wir niemals perfekt sein werden. Dies nie anstreben werden. 

 

Ich hoffe sehr, dass dir ebenfalls der Arsch auf Grundeis geht. Wenn du auf dem Eingangs erwähnten Gedanken rumdenkst. 

Versuch es doch einfach mal.