Moin, zukünftiger Lieblingsmensch. 

 

Auch wenn ich keine Ahnung habe wer du bist. So habe ich doch jetzt schon Angst. 

Vor dem Kennenlernen. 

Vor unserem Kennenlernen. 

 

Ich habe Angst davor, dir weh zu tun. 

Wirklich. 

Ich habe Angst davor, dass du den Teil mit den fehlenden Emotionen unterschätzt. 

Den, den ich im letzten Brief angesprochen habe. 

Ich habe Angst vor so vielem. 

Vor all den Teilen, in denen ich nicht der Norm entsprechend funktioniere. 

Nicht so reagiere, wie du es aus deinem bisherigen Leben gewohnt bist. 

Davor habe ich Angst. 

 

Darum möchte ich...

Dass du etwas mehr über mich erfährst. 

Dass du eine Chance hast zu verstehen. 

Mich zu verstehen. 

 

 

Mein Leben und meinen Werdegang. 

Habe ich zu verantworten. 

In großen Teilen. 

Ich bin die Summe meiner Erfahrungen. 

Kindlicher, wie auch Erwachsener. 

Ich bin die Summe meiner Entscheidungen. 

Kindlicher, wie auch Erwachsener. 

Ich bin all das, was ich habe mit mir machen lassen. 

Ich bin all das, was ich aus mir gemacht habe. 

 

Die Verantwortung für all das, was auf mich eingewirkt hat. 

Die trage ich. 

Denn ich habe es zugelassen. 

Ich hätte jederzeit jegliche Situation verlassen können. 

Auch die, in denen man mir übel mitgespielt hat. 

Auch die, in denen ich anderen geschadet habe. 

Jegliche. 

 

Denn...

Ich habe keine körperliche Gewalt erlitten, als ich klein war. 

Ich habe keine emotionale Gewalt erlitten, als ich klein war. 

Kein Verwandter war zu lieb zu mir. 

Mir fehlte es niemals an Liebe. 

Mir fehlte es nie an echten Freunden. 

Meine Kindheit war unsagbar schön und voll mit all dem, was man braucht. 

Um sich gut zu entwickeln. 

 

Dass ich emotional von dem Weg abkam.

Dass habe ich zu verantworten. Irgendwie.

Dass mein „Ich“ einen Teil meiner Emotionen schützend verschlossen hat. 

Daran bin wohl auch ich Schuld. 

Irgendwie. 

Dafür bin ich ihm jedoch dankbar. 

 

Meinem „Ich“. 

 

Denn sonst hätte mich all das, was ich mir zugemutet habe. 

Denn sonst hätte mich jede schlimme Situation, der ich mich nicht entzogen habe. 

Denn sonst hätte mich der Hass auf mich selber. 

Sonst hätte mich all das mein Leben beenden lassen. 

Wenn. 

Wenn ich all das hätte ungefiltert spüren müssen. 

 

 

Dies zu lesen muss merkwürdig für dich sein, zukünftiger Lieblingsmensch. 

Es ist aber notwendig. 

Um zu verstehen. 

Mich zu verstehen. 

 

Ich war große Teile meines Lebens von Selbstzweifeln zerfressen. 

 

Mein Aussehen. 

Es hat mir lange Zeit zugesetzt. 

Es hat sehr lange gedauert, bis ich meinen Frieden damit gemacht habe. 

Selbst heute werde ich es wohl kaum verstehen können. 

Warum du mich anziehend findest. 

Ich nehme es aber hin. Auch wenn ich es nicht greifen kann. 

 

Meine Moral. 

Mein moralischer Kompass hat noch nie nach Norden gezeigt. 

Moralisch flexibel. 

So nennt man das wohl. 

Richtig. Falsch. 

Das sind die gängigen Vorstellungen von Moral. 

In meiner Welt gibt es mehr. 

Mehr Abstufungen. 

Mehr als es fucking shades of gray gibt. 

 

 

Ich fühlte und fühle mich durch diese Sachen oft anders. 

Nicht dieses liebliche „anders“.

Nicht diese Variante von Richtig. 

Ich zweifle deswegen immer noch an mir. 

Manchmal. 

 

Manchmal. 

Mag ich mich aber auch für Teile dieses anders seins. 

 

 

Meine scheinbare Gleichgültigkeit. 

Sie kam in der Hochzeit der Depression. 

Seitdem ist sie ein zuverlässiger Begleiter. 

Durch sie. 

Es ist mir wirklich nahezu vollkommen egal, wie mich Menschen wahrnehmen. 

Außenstehende. 

Ich sehe ihre Blicke kaum mehr. 

Abschätzende. Wohlwollende. Flirtende. 

 

Denn. 

Für mich ist es simpel. 

Ich versuche jeden Tag der Mensch zu sein, der ich an diesem Tag sein kann. 

Die beste Variante dessen. 

Ich kann es nicht besser. 

Ich bin fein damit. 

Warum also sollte es mich interessieren, was jemand dazu sagt?

 

Warum sollte es mich interessieren?

Dass mich jemand für zu unsportlich hält. 

Dass jemanden meine Art mich zu kleiden missfällt. 

Dass jemand meint, ich sei nicht attraktiv. 

Warum?

 

Der größte Nachteil dessen ist es in der Tat, dass ich es sehr wahrscheinlich nicht mitbekommen werde. Falls du mich magst. 

Das müsstest du mir wohl schon irgendwie mitteilen. 

Tut mir leid. 

Mir fällt es schwer zwischen Freundlichkeit, Freundschaft und ehrlichem Interesse zu unterscheiden. 

Daher unterstelle ich einfach jedem die Freundlichkeit. 

 

Oh. 

Da wäre noch etwas. 

Wenn du mir bei einer Auseinandersetzung mit irgendeiner Konsequenz drohen solltest. 

Dann lebe bitte damit, dass ich dies höchst wahrscheinlich akzeptiere. 

Denn in meiner Welt sagt man wenig daher. 

Aussagen haben meist Hand und Fuß. 

Man versucht wichtige Menschen nicht in eine Richtung zu drücken, indem man ihnen droht. 

Solltest du jemals damit drohen dieses und jenes zu tun, falls ich nicht dieses oder jenes tue....

Dann viel Spaß bei der Umsetzung dessen. 

Ich akzeptiere es. Werde dir wohl auch nicht mehr die Chance geben zurück zu rudern. 

Ich erwähne dies vorsichtshalber mal. 

Denn diese Art von Konsequenz lies schon manchen verzweifeln. 

 

 

Mein Glauben. 

Ich glaube an nichts, was man konkret benennen könnte. 

Im theologischen Sinne. 

Ok. Wenn ich beten wollte. 

Dann würde ich den Namen Gottes mit Jehova benennen. 

Tut mir leid, wenn das nicht deinem Bild entspricht. 

Aber so bin ich zwölf Jahre sozialisiert worden. 

Simple as that. 

 

Woran ich jedoch glaube, ist folgendes. 

Jeder ist für sich selber verantwortlich. 

In erster Linie. 

Du bist für dein Glück verantwortlich. 

Ich bin für mein Glück verantwortlich. 

Zusammen werden wir dafür verantwortlich sein. 

Einander noch glücklicher zu machen. Aufeinander aufzupassen. 

Unsere Liebe am Laufen zu halten. 

 

Ich glaube daran. 

Dass der eine den anderen tragen kann. Wenn es erforderlich ist. 

Bis es dem anderen wieder besser geht. 

 

Ich glaube daran. 

Dass man sich immer weiter entwickelt. 

In seinem Leben. 

Ich glaube dran. Dass man den anderen dabei unterstützen sollte. 

Ich glaube daran. Dass Partnerschaft nur existieren kann, wenn man Freiräume schafft. 

In deinem Leben. In meinem Leben. 

In unserem Leben. 

Damit wir wachsen können. 

Getrennt voneinander. Aber auch miteinander. 

 

 

Liebster zukünftiger Lieblingsmensch. Da gibt es leider noch etwas wichtiges. 

 

Mein Herz. 

Es braucht seine Zeit. Bis du dort leben wirst. 

Das ist so einigem geschuldet. 

Vor allem aber dem emotionalen Part. 

Dem fehlenden.

 

Mich bei dir wohl zu fühlen. Das dürfte mir leicht fallen. 

Ich freue mich darauf. 

Das Lachen. Das einander Necken. Herrlicher Sarkasmus. 

Immer ein gutes Zeichen. 

Ich freue mich darauf das kennenzulernen, was du mir zeigen möchtest. 

Ich freue mich noch mehr darauf das kennenzulernen, was du gerne vor der Welt und mir verstecken möchtest. 

 

Du wirst damit leben müssen. Dass ich dich gut behandele. 

Ich werde für dich kochen. 

Oder dir Pommes kaufen. Mit Mayo. 

So Corona es zulässt, wird es Ausflüge geben. 

Ich werde dir vieles von mir zeigen. Was dir das Gefühl von Nähe gibt. 

Ich werde dir offen und ehrlich sagen, was ich an dir liebenswert finde. 

Attraktiv finde. 

Schön finde. 

 

Ich werde dich küssen. 

Dir so gut tun, wie ich es kann. 

Mit dir schlafen. 

Bei dir schlafen. 

 

Ich werde all dies können, bevor du überhaupt in meinem Herzen lebst. 

Weil.

 

Weil dies die einzige Möglichkeit ist, dich in meinem Herzen leben zu lassen. 

Seit damals. 

Seit damals brauche ich diese Nähe um zu verstehen. 

Um zu verstehen. 

Ob du die richtige Person für mich bist.

Um zu verstehen. 

Ob dies mehr als eine Romanze ist. 

 

Ich entscheide mich jedesmal wieder neu für dich. 

Jeden. Einzelnen. Tag. 

Weil Liebe ohne einen Großteil der spürbaren Emotion nicht...

Weil Liebe nicht konventionell funktionieren kann. 

Wenn man Einschränkungen hat. 

Emotionale. 

 

Bis ich es weiß. 

Bis ich es sicher weiß. 

Dass du bitte nie wieder gehen sollst. 

Bis dahin wird etwas Zeit nötig sein. 

 

Wenn du dann aber eines Tages in meinem Herzen lebst. 

Wenn dieser Tag gekommen ist. 

Dann gibt es kein Zurück mehr. 

Du wirst für immer dort bleiben. 

In meinem Herzen. 

 

 

Selbst wenn eines Tages...