Moin zukünftiger Lieblingsmensch,

 

Ich scherze da echt immer wieder drüber. Bei jeder mir passend erscheinenden Gelegenheit. In unwichtigen Momenten. In wichtigen Momenten. Gerne auch in unpassenden Momenten. 

Meist in Momenten, in denen sich mein Gegenüber eine etwas exaktere oder sinnvollere Information wünschen würde. Als…

 

„Ach, das wird schon. Ich bin vom Glück geküsst.“

 

 

Mir ist das erst vor einigen Monaten aufgefallen. Wie oft ich das sage. Wie merkwürdig das immer klingt. Aber auch. Wie recht ich doch damit habe. 

Es wird immer irgendwie gut. In meinem Leben. 

Das meine ich damit. 

 

Böse Zungen mögen munkeln, dass mein „gut werden“ auf der einfachen Tatsache beruht. Oder besser gesagt auf den Tatsachen. Mehrzahl passt hier besser. 

Dass ich keine hohen Ansprüche habe. 

Dass ich mir das einbilde. 

Dass ich viel dafür tue. 

Dass Andere viel dafür tun. 

Määp. 

Määp. 

Määp. 

Määp. 

Dem muss ich widersprechen. Dem ist nicht so. 

 

Schon seit irgendwie immer scheisse ich mich ein vor Glück. Ich komme immer irgendwie ganz gut durch.

Das ist faszinierend. 

 

Ne Jugend, die mich zum sozialen Außenseiter hätte machen müssen.

Erlebte ich mit tollen Freunden und viel Liebe.

Ne Schulkarriere auf der Hauptschule.

Als fauler Schüler. Hätte mir so einiges verbauen können. Irgendwie fast müssen. Und doch bog sich alles selbst so zurecht, dass ich später mit Fachabi und guter Ausbildung da stand. 

In meinem weiteren beruflichen Leben.

Seit der Ausbildung. Habe ich eigentlich nie wieder eine Bewerbung schreiben müssen. Ich wurde immer wieder abgeworben, empfohlen und stolperte bergauf. 

 

Mein ganzer Lebensstil war jahrelang darauf angelegt mich völlig zu zerstören.

Alkohol. Exzesse. Depressionen. 

Scheisse. Für das was ich mir alles angetan habe. Dafür geht es mir geradezu blendend. 

Zwar kein „ Xenon Scheinwerfer helles“ blendend. 

Aber ein „verdreckter Scheinwerfer passabel sauber gewischt“ blendend.  

 

Selbst Rückschläge. 

Durch gescheiterte Beziehungen. Durch Schulden. Durch Selbstzerstörung. Durch all das, was ich angestellt habe. 

Selbst diese Rückschläge waren immer für etwas gut. Waren immer ein Gewinn für mein Leben. Haben mich weiter gebracht. 

Das habe ich in dem Moment wahrscheinlich nicht verstanden. Aber im Nachhinein…

 

Mein Gott. 

Mir kommt fast etwas Kotze hoch. Wenn ich das hier gerade lese. 

Glück gehabt. Glück gehabt. Glück gehabt. 

Aber so ist es eben. 

Das Glück mag mich anscheinend. Begleitet mich. Irgendwie. 

 

 

Es mag stimmen, dass mein Leben für Außenstehende. Selbst für Nahestehende. 

Sehr einfach wirken mag. 

Meine Ambitionen endlich wirken mögen. Gar begrenzt. 

Ich mag es aber so. 

 

Ich lebe nicht in exzessiven Überfluss. 

Das was ich besitze ist eher übersichtlich, dafür aber in guter Qualität. So mag ich das. Damit fühle ich mich wohl. 

Ich habe keinen sehr gut bezahlten Job. 

Dafür einen, den ich leiden mag. In einem Unternehmen, dessen Bestimmung ich mir nicht schön reden muss. In einer Branche, für die ich mich am Ende des Tages nicht schämen muss. 

Ich bin oft Zuhause. 

In unserer Wohnung. Dort fühle ich mich sehr wohl. Auch ohne Luxus und verschwenderische Größe. 

Ich gönne mir keine spektakulären Reisen oder Auszeiten. 

Erlebe kaum etwas, was sich fancy auf Instagram posten lässt. Um Eindruck zu schinden. 

Ich bin nicht fleißig. 

Mir liegt es eher durchzukommen. Irgendwie.

Durchkommen. Ja. Das ist meins.

Gut durchkommen mit annehmbaren Aufwand. 

 

Das einzige bei dem ich wirklich fleißig und ambitioniert bin. Das ist meine geistige Gesundheit. Und das auch nur, weil es notwendig ist. Wie ich feststellen musste. 

Nicht zu verwechseln mit meiner körperlichen Gesundheit. 

Die reibt sich doch arg mit meiner Vorliebe für Essen. Viel Essen. Ungesundes Essen. Und dem nicht ausreichend gegensteuernden Sport. Oder allgemein Sport. Ja. 

Ha. Selbst da bin ich noch vom Glück geküsst. Denn aus irgendeinem Grund bin ich trotzdem ziemlich gesund.

Faszinierend. 

 

 

Mein Leben fühlt sich irgendwie so an, als würde jemand immer mal jemanden schmieren, damit ich recht reibungslos voran komme. 

Das war mir ziemlich lange nicht bewusst. Vor allem nicht, wenn es mir richtig schlecht ging. 

Das habe ich erst rückwirkend verstanden. Damals. Als ich mich entschloss doch einfach weiter leben zu wollen. 

Was übrigens ein guter Entschluss war. 

Da habe ich mir den ganzen Mist mal genauer angeschaut und es herausgefunden. 

Das war ganz schön faszinierend.

Hui. So viel glückliche Umstände, wo ich doch immer nur den Schmerz gesehen hatte. 

 

Mein „vom Glück geküsst“ sein. Das ist wahrscheinlich auch so ne subjektive Sache. 

You know? Ansprüche an sich und sein Leben….

Was für mich das Prädikat „vom Glück geküsst“ erhält. Das mag wen anders nicht einmal zufrieden stellen. 

Was meines Erachtens. Also keinen fundierten Tatsachen entsprechend. An einer fremdgeprägten Sichtweise liegen mag. 

 

Ich denke nämlich oft, dass ziemlich viele Menschen ziemlich wenig über sich wissen. Dafür aber ziemlich viel darüber…

Was Andere besitzen. Was Andere sich leisten können. Wie die Leben Anderer aussehen. 

Darüber. 

Was angesagt ist. Was nicht mehr angesagt ist. Was als Nächstes angesagt sein wird. 

Wenn ich mir das so blöd lächelnd anschaue. Im echten Leben. Auf dem Bildschirm meines Handys. 

Dann bin ich in erster Linie kurzweilig entertained. Bis ich darüber nachdenke, dass die ganzen Menschen das ja ernst meinen. 

Ach herje. 

 

Lassen wir das ständige „nach Aufmerksamkeit“ gehasche mal außen vor. 

Jedem sollte wohl klar sein, dass dies einem psychischen Schaden. Mangelndem Selbstwert.

Oder beidem. Entspringt. 

 

Ich finde es Traurig zu sehen, was und wem viele Menschen Bedeutung schenken. 

Sündhaft teure Klamotten. An wahlweise schlanken oder trainierten Körpern. 

Teure Autos. So teuer, dass die meisten sie maximal leasen können. 

Möglichst exklusive Reisen. Möglichst minimalistisch Reisen. Hauptsache viel Reisen. 

Möglichst individuelle Reisen. In eilig umgebauten Vans. Zu dem Spot, den gerade jeder bei Instagram feiert. 

Was nur einen winzigen Auszug des dargebotenen Wahnsinns darstellt. Das vorherige. Meine ich. 

 

Wenn ich das alles dann so sehe. Das so lese. Das so höre. 

Dann kommt der Hauptschüler in mir durch und ich denke mir eigentlich nur eines. 

Opfer!

Was ich nicht überheblich meine. Ich meine es wortwörtlich. Quasi im Sinne des Wortes.

Und auch etwas spöttisch. Ja ja. Schuldig. 

Opfer. 

Mir tun diese Menschen leid. Ich fürchte sie haben noch einen weiten Weg vor sich.

Bis sie sich trauen nach ihrem eigenen Glück zu suchen. 

Bis dahin entertainen sie mich.

Schuldig. 

Was mich zu einem nicht ganz so tollen Menschen macht. Aber den Anspruch habe ich halt auch nicht. Toll darf gerne wer anders sein. 

 

 

Wenn ich das irgendwie zusammenfassen müsste. Diese vom Glück geküsst sein.

Wenn ich benennen müsste, was mir davon am meisten bedeutet. Dann wäre es folgendes.

 

 

Für mich persönlich bedeutet vom Glück geküsst sein. 

Dass ich mit mir alleine sehr gut auskommen kann. Das mag ich sehr an meinem Leben. 

Für mich bedeutet vom Glück geküsst sein. 

Dass ich mein Leben trotzdem mit einer Frau teilen darf. Die mein Leben doch arg bereichert. 

Für mich bedeutet vom Glück geküsst sein. 

Dass ich eine Handvoll Freunde habe. Wirkliche Freunde. 

Für mich bedeutet vom Glück geküsst sein. 

Dass es mir an nichts mangelt. Alles für mich relevante. Ist vorhanden. 

Für mich bedeutet vom Glück geküsst sein. 

Dass ich mir ständig Pommes und Eis kaufen kann. Ohne dass mein Konto mir das übel ankreidet. 

Pommes UND Eis!

Ziemlich coole Sache. 

 

 

Auch jetzt gerade fühle ich mich wieder vom Glück geküsst. 

Ich liege auf einer unverschämt bequemen Couch. Mir schallt Musik entgegen. 

Es dreht sich der Vinyl gewordene Beweis meines „vom Glück geküsst“ werden auf dem Plattenteller. Ein Zufallsfund. 

Gefährliches Halbwissen nennt er sich. 

Kaum noch zu finden. Sehr wohl aber, wenn man in den erstbesten Plattenladen geht. In einem kleinen Stadt. Und nichts besonderes sucht. 

 

 

Ich sagte ja bereits….