Moin zukünftiger Lieblingsmensch,

 

letztes Wochenende hatte ich zwei meiner besten Freunde zu Besuch. Tolle Menschen. 

Neben dem üblichen Dummgeschwätz und schwelgen in Erinnerungen hatten wir eine Mission. Unsere Mission war der Umzug einer Küche. Von Romina zu mir. 

Zu uns. Ist ja jetzt unser beider Zuhause. 

Schöne Sache. 

Bei all den Gesprächen wurde eines wieder sehr deutlich. Die beiden leben ein anderes Leben. Als ich es lebe. Ein große Jungs Leben halt. 

Eins, in dem Familie, ein Haus und eine Menge an Verantwortung um deren jeweilige Zeit rangeln. 

Die Zeit mit den beiden war chaotisch, lustig und so vertraut. Sie hat mich aber auch etwas nachdenklich gestimmt. Das tut sie meistens. 

Sie hinterlässt mich immer gehüllt in die Frage, ob das auch etwas für mich gewesen wäre. All das. 

 

 

Eigentlich sollte ich diese Frage eindeutig beantworten können. Denn. Mit meinen 41 Jahren habe ich ja bereits so einige Leben gelebt. Das waren sehr unterschiedliche Leben. Gemein hatten sie eigentlich nur eines. 

Ich war immer auf der Suche. 

Nach mir. 

Denn ich wusste eigentlich nie wer ich bin. Das war wohl meiner Feigheit geschuldet. Denn vor der Erkenntnis steht meist Arbeit und Schmerz. Beides war mir wohl jeweils zu viel. 

 

Aber jetzt. Jetzt kenne ich mich. 

Seit einiger Zeit. Und deswegen. Genau deswegen.

Kann ich diese Frage nicht beantworten. Noch weniger als je zuvor. 

 

Die meisten Menschen in meinem Alter hatten bereits Jahrzehnte mit sich selber. Sie haben so viel erlebt. Sie haben die tollsten Augenblicke. Mit sich. Mit den geliebten Menschen. Erlebt. Haben diese Erlebnisse miteinander geteilt und konnten von denen zehren. Welch wundervoller Gedanke. 

 

Und ich? Ich lebe doch erst so kurz mit mir zusammen. Viel zu kurz. 

Und erst seit noch viel kürzerer Zeit mit der Frau die ich liebe. 

Mein Leben. Unser Leben. Fängt doch gerade erst an. 

Ich stecke quasi noch in meinen Kinderschuhen. 

Sich da auf solch bedeutende Sachen festzulegen erscheint mir wie grober Unfug. Gar verantwortungslos. Und doch unterschwellig reizvoll. 

 

Zu sehen, wie so ein kleiner Mensch aufwächst. 

Das ist bestimmt beeindruckend und einzigartig. Ich erahne nicht ansatzweise, was dies einem zu geben vermag. Wie denn auch?!

In einem Haus zu leben. 

Was man sich Stück für Stück einrichtet. Es sich heimelig macht. Das gibt einem bestimmt ein irres Gefühl von Geborgenheit. Von Kontinuität. 

Bei beiden Gedanken verspüre ich Wärme. Wenn ich daran denke. 

Daran, wie meine Freunde dies leben dürfen. 

 

Deren Kompass war augenscheinlich immer vernünftig genordet. 

Auch wenn sie es nie zugegeben hätten. Sie wussten es wohl schon immer. Wohin ihr Leben sie führen würde. Sie haben darauf hingearbeitet. Bewusst. Eventuell auch unbewusst. Aber doch konstant. 

 

Meinen Kompass habe ich irgendwann mal verschenkt. Bestimmt in jungen Jahren. 

Nehme ich an. Zumindest habe ich nie einen bei mir gefunden. 

Somit hatte niemals eine Bedeutung für mich. 

Mir war eher nach Improvisation. Anfangs aus der Not heraus. Danach aus purem Gefallen an dem Konzept. 

Mir war nie klar, was ich mal arbeiten möchte. Mir war nie klar, wo ich mal leben möchte. Mir war nie klar, wie mein Leben mal in ein paar Jahren aussehen sollte. 

Exakt dies gab mir immer ein warmes Gefühl der Behaglichkeit. 

 

Auch jetzt ist mir manches davon noch nicht klar. Also, wie ich mein Leben leben möchte. 

Aber ich merke, dass da noch einiges an Zweisamkeit kommen sollte. Und an Zeit mit mir selber. Bevor... 

Bevor ich darüber nachdenken kann. Ob. Oder ob nicht. Ihr wisst schon. 

Mir fehlt noch so viel. So viel von vielem. 

Das sagt mir mein Bauchgefühl. You know?

 

 

Wenn ich über die Jahre. Aus all den Leben, die ich gelebt habe. Eines mitnehmen durfte. Dann war es eine simple Erkenntnis:

 

 

Ich bin vom Glück geküsst. Egal was da kommen mag, es wird toll werden. 

 

 

Das mag verwirrend klingen. Für euch. Für manch einen. Wahrscheinlich sogar zu Recht. Depressiv und vom Glück geküsst? Beisst sich das nicht?

Nö. 

Im Endeffekt ist ein solches Erlebnis. Meine Depression. Etwas durchaus positives. Insofern man damit leben lernt. Es verändert so viel. Buchstäblich das ganze Leben. 

Die bisher vorherrschende Sichtweise. Den Anspruch an so vieles. Man lernt so viel dazu. Jedenfalls ist es in meinem Leben so gelaufen. Und dazu gehört eben auch die eben genannte Erkenntnis.

 

 

Ich bin vom Glück geküsst. Egal was da kommen mag, es wird toll werden.

 

 

Schaut also so aus, als würde die ein oder andere spannende Entscheidung noch ein bisschen vertagt werden müssen. Jetzt gilt es erstmal mein Leben zu leben. 

 

Auf bald.